Länderbericht Polen
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- Veröffentlicht: Samstag, 18. März 2017 22:24
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1. Die sozial-politische Lage der polnischen Bergarbeiter
Seit der ersten Bergarbeiter- Konferenz in Peru 2013 hat sich im polnischen Bergbau viel verändert.
Das Jahr 2014 war gekennzeichnet von einem Streiks im Untertagebergbau und Kundgebungen/Demonstrationen am Standort Zagleblie Dabrowskie am Werk Kazimiers Juliusz im schlesischen Teil Polens, der sich kulturell von Oberschlesien unterscheidet. Die Proteste richteten sich gegen die Pläne, Bergwerke zu schließen, Gehälter nicht zu zahlen und Bergarbeiterwohnungen zu kündigen. Das waren die wichtigsten Punkte des Kampfes: Beschäftigung, Einkommen und Wohnungen. Das Ergebnis der Proteste, - mit führender Beteiligung der Gewerkschaft Sierpień 80 (August 80) - war ein Abkommen mit der Regierung.
Der heftigste Kampf begann Anfang 2015. Über die Medien wurde über die Ministerpräsidentin Regierungschefin Ewa Kopacz die Schließung von vier Bergwerken bekannt gegeben. Die Bergwerke waren Teil des größten Bergbauunternehmens der EU, der „Coal Company“, heute „Polnische Bergbaugesellschaft“. Ewa Kopacz wurde Nachfolgerin von Premierminister Donald Tusk, der den Europarat- Vorsitz übernahm. Die Bekanntgabe der Pläne auf einer Pressekonferenz durch Premierministerin Ewa Kopacz löste viele Streiks in den meisten schlesischen Standorten aus. Die Arbeit ruhte, einige Bergarbeiter traten in den Hungerstreik untertage, andere protestierten zusammen mit ihren Familien mit Straßenblockaden und Demonstrationen. Es war eine Zeit des großen Zusammenhalts. Überdies unterstützten andere Menschen die Proteste, bis zu 68,5% der Polen unterstützten den Kampf gegen die Bergwerksschließungen. Nach zwei Wochen kam es zu einem Vertrag. Einige der von Schließung bedrohten Bergwerke wurden verkauft.
Oktober 2015 waren Neuwahlen und es gab einen Regierungswechsel. Nach zwei Legislaturperioden verlor die Wahl-Plattform Obywatelska (PO) nach acht Jahren die Macht. Die rechte Partei Prawo i Sprawiedliwosc gewann die Wahl. Die Parteichefin ist Beata Szydlo, Tochter eines Bergarbeiters, der aber nicht in einer schlesischen Mine gearbeitet hatte, sondern im südlichen Polen. Sie versprach, anders als die vorige Regierung, keine Bergwerke zu schließen. Übrigens war es das erste Mal seit 26 Jahren, dass keine linke Partei den Sprung ins Parlament schaffte. Die Regierungspartei steht jetzt in einem Bündnis mit der größten polnischen Gewerkschaft Solidarnosc (geführt vom legendären Friedensnobelpreisträger Lech Walesa). Seither haben wir ein Bündnis aller Gewerkschaften. Die vorhergehende Regierung war stark gegen die Gewerkschaften eingestellt. Heute, besteht das Bündnis der Gewerkschaften weiterhin – abgesehen von dem dem Bündnis zwischen Solidarnosc und den Behörden.
2. Die Besonderheiten des polnischen Bergbaus
Ich möchte den polnischen Bergbau vorstellen. Er sichert die Grundlage unserer Energieversorgung. Ich repräsentiere die Organisation Sierpien 80, (deutsch: Unabhängige Gewerkschaft August 80), die in den drei größten Bergbauunternehmen tätig ist, der „Polish Coal Group, der Katowitz Kohle- Holding und der Jastrzebie Bergbaugesellschaft. Alle drei unterstehen dem polnischen Finanzministerium. Die Gewerkschaften fordern den Zusammenschluss der Bergbaubranche mit dem Energiesektor. Die Regierung unterstützt diese Forderung in Worten, fällt aber keine wichtigen Beschlüsse dazu.
Zum 31.12. 2014 war die Zahl der Bergbau-Beschäftigten 214 984. Davon in untertage Bergwerken 160 289 (davon in Kohleminen 138 037), im Tagebau 36 422 und im Öl- und Gasbohren 10 465 Personen. In Polen gibt es 38 untertage Bergwerke und 6860 Tageabbau-Stätten.
3. Die Lebensverhältnisse der Bergarbeiter
Die Einkommen im polnischen Bergbau ist angesichts des bestehenden Lebensstandard relativ gut. Ein Problem ist, ob die Löhne pünktlich ausgezahlt werden. Seit einem Jahr werden die Sonderzahlungen zum Bergarbeitertag oder Ähnlichem in Raten gezahlt oder ganz eingestellt.
Angesichts der schweren Arbeit und der Unfallgefahr (die sehr schwer oder gar tödlich sein können), sind die Löhne nicht hoch genug. Unsere Gehaltsforderungen werden in den Medien immer falsch dargestellt, indem berichtet wird, dass ein Durchschnittseinkommen 2000 Euro beträgt. Das stimmt aber nur, wenn es um die Einkommen der Direktoren und des höheren Managements geht. Die Löhne der Bergarbeiter, einschließlich derer, die unter den schwierigsten Bedingungen arbeiten, betragen 600,- Euro , oft einschließlich Wochenendschichten.
4. Arbeitskämpfe
Auf Arbeitskämpfe bin ich schon zu Beginn eingegangen. Bergarbeiter werden in den Medien und von den Politikern in Verbindung mit Protesten gezeigt. Wir unterstützen auch andere Branchen wie das Gesundheitswesen, das Schulwesen und Einkaufszentren.
Ein weiteres Problem ist die von der EU- Kommission aufgeworfene Frage der Rechtmäßigkeit öffentlicher Subventionen für den polnischen Bergbau. Leider unterstehen wir EU- Institutionen. Wir sind das Opfer einer bergbaufeindlichen EU- Politik. Zuschüsse gibt es nur für die Schließung von Bergbauunternehmen, was wir mit allen Mitteln zu verhindern versuchen. Es stehen weitere Kämpfe bevor. Vor einigen Monaten wurde auf uns geschossen. Wir fürchten uns nicht von Kugeln, Gerichtsurteilen und Strafverfolgungen. Wir haben kein Vertrauen in die Politiker. Es geht hier nicht um ein Schachspiel (bei aller Würdigung des Spiels).Wir repräsentieren kämpfende Bergarbeiter. Wir kümmern uns um ihre Lage. Jeder Kontinent, jedes Land und jede Branche hat ihre besonderen Anliegen.
In der heutigen globalisierten Welt brauchen wir Koordinierung, Informationsaustausch und Erfahrungsaustausch auch im Bergbau.
Mit großer Wertschätzung unterstütze ich die Internationale Bergarbeiterkonferenz in Peru 2013
Nur wenn wir zusammenstehen, wenn wir alle gut informiert sind und koordiniert handeln, können wir diesen Kampf gewinnen.
Bergarbeiter aller Länder, steht zusammen.
Krzysztof Labadz
Unabhängige Gewerkschaft „August 80“ (Polen, Europa)