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Südafrika: Bergarbeiter fordern vom Konzern Entschädigungen für Marikana-Massaker

Lonmin verschwindet
Foto: "Gedenken an die 2012 erschossene Bergarbeiter bei Demo zur Lonmin-Aktionärsversammlung 2017 in London"
Einmal wird mit Sicherheit noch protestiert. Vertreter und Unterstützer südafrikanischer Bergarbeiter wollen auch in diesem Jahr die Jahreshauptversammlung des britisch-südafrikanischen Bergbaukonzerns Lonmin nutzen, um an das Massaker von Marikana zu erinnern.

Bei dem waren am Rande der gleichnamigen Mine 100 Kilometer westlich der südafrikanischen Hauptstadt Pretoria am 16. August 2012 während eines Streiks 34 Kumpel von der Polizei erschossen worden. Mit einer Mahnwache vor dem Lincoln Centre im Zentrum der britischen Hauptstadt London, wo Lonmin seinen Stammsitz hat, will die südafrikanische Delegation um den Bischof Johannes Seoka am heutigen Donnerstag an die Versäumnisse des Konzerns bei sozialen Verpflichtungen und an die noch immer nicht erfolgte Entschädigung der Hinterbliebenen erinnern. Es könnte der letzte Protest dieser Art sein, zumindest im Herzen der britischen Kapitale – denn Lonmin droht sich mit einem Komplettverkauf an den südafrikanischen Wettbewerber Sibanye-Stillwater aus der Verantwortung für die Gräuertaten 2012 zu ziehen. 285 Millionen britische Pfund (322 Millionen Euro) will sich Sibanye-Stillwater Lonmin kosten lassen, eine entsprechende Abmachung wurde bereits im Dezember getroffen und bekanntgegeben. Wie das südafrikanische Finanznachrichtenportal Moneyweb dazu berichtete, sollen Lonmin-Anleger mit je 0,967 Sibanye-Stillwater-Aktien je Lonmin-Anteilsschein entschädigt werden. Wem damit am meisten geholfen wäre, dazu hatten die Börsen in London und Johannesburg am Tag der Verkündung des Deals am 14. Dezember klare Signale gesendet: Die Lonmin-Aktie schoss um 23 Prozent in die Höhe, Sibanye-Stillwater, das mit Abschluss des Geschäfts zweitgrößter Platinförderer der Welt würde, verlor fünf Prozent. Jubelsprünge dürfte dies bei den Lonmin-Aktionären jedoch noch immer nicht verursachen: Der Nachrichtenagentur Reuters zufolge verlor das Unternehmen in den gut fünfeinhalb Jahren seit dem Massaker 98 Prozent seines Börsenwerts. Sibanye-Stillwater versucht derweil gar nicht erst zu verhüllen, wie es aus der Lonmin-Akquisition Kapital schlagen will: 12.600 Arbeitsplätze sollen den Konzernplänen zufolge in den nächsten drei Jahren vernichtet werden, 890 weitere gelten als bedroht, berichtete Moneyweb. Mehrere Minen sollen vorübergehend geschlossen werden, um die Platinfördermengen zu senken. Bischof Seoka griff dieses Thema bereits in der Pressemitteilung zur Ankündigung der Proteste auf. »In der Lonmin-Hauptversammlung 2017 haben der Aufsichtsratsvorsitzende Brian Beamish und der Vorstandsvorsitzende Ben Magara verkündet, dass eine neue Ära eingeleitet und die Sorgen der Arbeitnehmer ernst genommen würden«, erklärte der Bischof, der bereits damals in London zugegen war, und resümierte: »Jetzt muss ich sie fragen: Wie wird die Zukunft der 13.000 Bergarbeiter aussehen, die nach der Übernahme durch Sibanye-Stillwater ihren Job verlieren werden?« Die Antwort auf die Frage des Kirchenmannes gibt Lonmin allerdings seit Jahrzehnten. Sie lautet: »Miserabel«. Offiziell erklärte Konzernsprecherin Wendy Tlou zwar, ihr Unternehmen fühle sich seinen Sozialprogrammen weiterhin verpflichtet. Zudem habe Sibanye-Stillwater versprochen, Lonmins Verpflichtungen gegenüber den Gemeinden an den Minen zu erfüllen. Doch viel wert sind diese Aussagen offensichtlich nicht, schließlich hatte sich das Unternehmen auch über Jahre hinweg für den Bau von Sozialwohnungen gerühmt, die nie entstanden waren. Statt dessen mussten die Arbeiter in Blechhütten hausen, oft ohne Strom und Wasser. Diese Versäumnisse sind jetzt Kernpunkt einer Klage der Nichtregierungsorganisation Mining Forum of South Africa. Die Gruppe, die sich mit den Bergarbeitern solidarisiert, wirft dem Konzern vor, durch die Vernachlässigung der Sozialprogramme gegen die Bedingungen zur Erteilung der Bergbaulizenz verstoßen zu haben. Gegen den Verkauf des Konzerns will das Mining Forum daher eine einstweilige Verfügung erwirken. Das seit dem Regierungswechsel Mitte Februar neu besetzte südafrikanische Bergbauministerium wurde von der Organisation aufgefordert, seiner Aufsichtsfunktion nachzukommen. Um auf ein Eingreifen der Regierung zugunsten der Arbeiter zu hoffen, ist jedoch Optimismus vonnöten: Denn mit Cyril Ramaphosa ist seit knapp einem Monat exakt der Mann Präsident, der 2012 zur Zeit des Massakers im Aufsichtsrat von Lonmin saß und dort zudem für die Überwachung der Umsetzung der Sozialprogramme des Konzerns zuständig war – und untätig blieb. Einen Tag, bevor die Polizei das Feuer eröffnete, hatte Ramaphosa damals noch ein »entschiedenes Durchgreifen« gegen die seiner Interpretation nach »niederträchtig kriminellen« Streikenden gefordert. Entschuldigt hat er sich seitdem lediglich für die Wortwahl. Hauptprofiteur der Ausbeutung und der entsprechend niedrigen Platin-Preise war über all die Jahre die BASF. Der weltgrößte Chemiekonzern ist Hauptabnehmer des Platins. Für eine Entschädigung der Opfer fühlte sich in der Ludwigshafener Zentrale jedoch niemand zuständig. Immerhin ließ BASF die Arbeits- und Lebensbedingungen an den Lonmin-Minen überprüfen. Zwei solcher Audits wurden durchgeführt, die entsprechenden Berichte aber nie veröffentlicht. Markus Dufner, Geschäftsführer des Dachverbands der Kritischen Aktionäre, fordert daher auch von dem Konzern mehr Transparenz. »Als Hauptabnehmer des Platins von Lonmin darf es der BASF nicht egal sein, dass die Arbeiter unter miserablen Bedingungen am Rande der Marikana-Mine hausen«, erklärte er in der jetzigen Protestankündigung.