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Marokko: Auszug aus einem Interview zum Bergarbeiterkampf in Jerada

Ein Brennpunkt der Kämpfe in Marokko ist die Bergarbeiterstadt Jerada. Dort wurde 1920 Steinkohle erster Qualität entdeckt. Unter der französischen Kolonialherrschaft gründete sich eine Bergbaugesellschaft. Arbeiter aus ganz Marokko und auch aus Frankreich kamen in diese Zeche. Sie haben gemeinsam den Kampf für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen aufgenommen. 1998 zog sich die französische Bergbaugesellschaft heraus und verlangte vom marokkanischen Staat Milliarden für die Übergabe. Statt den versprochenen Investitionen wurde die Zeche geschlossen, die Arbeiter mit einem Bruchteil abgefunden und entlassen.


Damals lebten 100.000 Arbeiter und ihre Familien in Jerada, heute sind es noch 50.000. Viele Arbeiter starben an einer Staublunge, hinterließen Witwen und Waisen. In Jerada gibt es keine anderen Fabriken und keine Landwirtschaft, wovon man leben könnte. Also gehen die Arbeiter auf eigene Faust in die Zeche, bauen mit einfachsten Werkzeugen die Kohle ab und verkaufen sie selbst. Sie verkaufen einen Sack Kohle für 60 Dirham (etwa 6 Euro) an die Zwischenhändler und die verkaufen ihn für 800 Dirham weiter. Sie werden »Barone« genannt, sind in kürzester Zeit Millionäre. Sie verkaufen die Kohle weiter an Elektrizitätswerke. Inzwischen bekommen die Arbeiter schon nach zehn Monaten eine Staublunge. Die Kohle, die man herausholen kann, liegt immer tiefer. Die Arbeiter krauchen bis in 80 Meter Tiefe in ganz kleine Löcher hinein. Oft stoßen sie dabei auf Wasser, seit 2010 sind 45 dieser Bergleute in der Zeche ertrunken.
Am 22. Dezember 2017 starben zwei Brüder unter Tage, der eine 23, der andere 30 Jahre alt. Das brachte Jerada zum Explodieren. Jeden Tag gab es große Demonstrationen (Bild 2), es sind regelrechte Aufstände. Sie fordern eine Arbeit, von der sie leben können. Sie verlangen, dass sie den Strom nicht zahlen müssen, weil sie kaum Einkünfte haben. Marxisten-Leninisten haben diese Kämpfe mit initiiert. Es gibt über 100 soziale politische, soziale und kulturelle Forderungen. Die Regierung machte Versprechungen, die sie nicht einhielt. Die Demonstrationen schwollen weiter an und werden vom Militär unterdrückt. Kleinste Anlässe werden genommen oder erfunden, um Aktivisten zu verhaften. Derzeit sind 61 von ihnen im Gefängnis und es gibt eine Massenbewegung für ihre Freilassung.