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USA: Bergwerke oder die Kohle nach der Kohle

In den USA wechseln Kohleminen mehrfach die Besitzer. Die Minenbetreiber drücken sich mit Konkursen vor Umweltsanierungen und Strafen. Wenn es in Harlan County im US-Bundesstaat Kentucky viel regnet, wissen die Einwohner schon, was kommt: Nach starken Regenfällen gibt es oft Schlammlawinen, die die Grundstücke überfluten, Strassen unterspülen und alles unter Wasser setzen. Ihren Ursprung haben sie in einer aufgegebenen Mine, der Foresters Mine No 25.

Bis vor einigen Jahren reparierte der Eigentümer Blackjewel LLC gelegentlich die zahlreichen Schäden. Mit dem nächsten Regen kamen sie wieder. Auch Amber Combs, deren Grundstück sich bei einem Unwetter 2017 in einen «schlammigen Teich» verwandelte, reichte damals Klage ein. Die Strafe von 1300 Dollar ist noch immer nicht bezahlt. Unter anderem, weil Blackjewel 2019 Konkurs anmeldete. Das Konkursverfahren läuft noch. Allein in Verbindung mit der Foresters-Mine sind 600’000 Dollar Bussgelder für Umweltverstösse offen. Neben Erdrutschen, Überschwemmungen und Schlammlawinen geht es auch um verschmutztes Wasser und vergiftete Böden. Kentucky und West Virginia sind Bergbaugebiet. Zwischen 2012 und 2022 gingen in den USA mindestens 60 Kohleunternehmen bankrott, darunter einige der grössten im Land – und so viele wie in keiner anderen Branche. Der Verfall der Kohlepreise und der steigende Druck zur Dekarbonisierung beschleunigt den Zerfall. 2030 einzelne Minen in Kentucky und West Virginia gingen seit 2012 pleite – ein Drittel aller Kohleminen in den betreffenden Bundesstaaten. Ein Viertel davon war bereits mehrmals in eine Insolvenz verwickelt. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich: Blackjewel wie auch andere Unternehmen nutzen bankrotte Minen als Geschäftsmodell und entledigen sich so auch der Umweltauflagen. Das Gesetz ist eindeutig. Der Surface Mining Control and Reclamation Act aus dem Jahr 1977 verpflichtet Kohleunternehmen zur Beseitigung von Schäden. Nach Beendigung des Bergbaus muss das Land wieder in einen Zustand versetzt werden, «in dem es für die gleichen Zwecke genutzt werden kann, für die es vor dem Abbau geeignet war». In der Praxis sehe das so aus, dass Minen immer weiterverkauft würden, obwohl sie nicht mehr wirtschaftlich arbeiten, erklärt Josh Macey, Rechtsprofessor an der Universität Chicago und Co-Autor einer Studie über Kohlekonkurse, den Recherchepartnern. «[Die Bergbauunternehmer] halten Minen am Leben, die nicht lebensfähig sind und Schwierigkeiten haben, die Umweltgesetze einzuhalten», sagt er. Ein aus der Öl- und Gas-Förderung bereits bekanntes Vorgehen – in den USA gibt es Millionen aufgegebener Gas- und Ölbohrlöcher, aus denen das Klimagas Methan unkontrolliert entweicht. Wenn die Besitzer bankrottgehen, fällt ihre Sanierung an den Staat, meist über mehrere Stufen. Ein problematisches Bohrloch wird an immer kleinere Unternehmen verkauft, bis der endgültige Eigentümer kaum noch Mittel hat. Insolvenzen, mit denen Firmeneigentümer Gelder in Sicherheit bringen, sind ebenfalls nicht selten. Blackjewel, gegründet 2008 von dem Unternehmer Jeff Hoops, hatte sich in nur zehn Jahren zum sechstgrössten Kohleproduzenten der USA entwickelt. Vor allem dadurch, dass das Unternehmen Minen wie Foresters aus der Konkursmasse anderer Unternehmen kaufte. Bis 2018 verfügte Blackjewel über mehr als 500 Abbaugenehmigungen in Kentucky, Virginia, West Virginia und Wyoming. Im Juli 2019 ging Blackjewel dann konkurs. Die Forderungen an das Unternehmen wurden später auf 7,5 Milliarden Dollar geschätzt. Nachdem Hoops den Wert von Blackjewel durch den Kauf bankrotter Bergbauunternehmen aufgeblasen hatte, vermied er mit dem Konkurs die damit zusammenhängenden Umweltauflagen. Nirgends gibt es so viele Insolvenzen wie im Kohlebergbau. Einige Minen wie Foresters produzieren schon lange keine Kohle mehr und werden trotzdem immer weiterverkauft. Das Bankrotteur-Spiel hält nicht nur Minen am Leben, die gar nicht mehr aktiv sind, es verschleppt auch dringend nötige Sanierungen. Hunderte Minen sind bereits mehrmals in eine Insolvenz geraten. Je öfter, desto grösser sind die Umweltschäden, zeigt die Analyse. Von den zwei grossen US-Bergbauunternehmen Peabody Energy und Arch Coal ist bekannt, dass sie ein drittes Unternehmen gründeten, in das sie «problematische» Minen auslagerten. Hoops besitzt noch ein anderes Unternehmen namens Clearwater Investments. Zu Clearwater Investments gehören zwar ein Transportunternehmen und ein Vertriebsdienst für Bergbauausrüstung. Mit Bergbau hat das Unternehmen aber sonst nichts zu tun. In den sechs Monaten, die dem Blackjewel-Konkurs vorausgingen, transferierte der Unternehmer mindestens 34 Millionen Dollar von Blackjewel dorthin. Später erklärte er, es handle sich um die Rückzahlung von Krediten der Familie Hoops. Bis Mitte 2020 gab es in den Blackjewel-Minen in Kentucky mehr als 600 ausstehende Verstöße gegen Bergbau- und Rekultivierungsstandards, davon 450 seit der Insolvenz. Darüber hinaus hatten die Aufsichtsbehörden Blackjewel wegen mehr als 13’000 Verstößen gegen die Wasserqualitätsvorschriften von Kentucky verwarnt. Dass gegen die anhaltenden Umweltprobleme im Kielwasser der Insolvenz etwas getan wird, ist jedoch unwahrscheinlich. Was auch an den US-Gesetzen und ihrer Auslegung liegt. Das Restvermögen eines bankrotten Unternehmens wird in der Praxis zunächst unter den großen Gläubigern wie Banken, Hedgefonds, Anwaltskanzleien und Steuerbehörden aufgeteilt. Wenn die Banken etwas übriggelassen haben, kommen Renten und ausstehende Löhne dran und dann die Umwelt. «Die Konkursgerichte tun nicht genug, um ein Verhalten zu unterbinden, das es Kohleunternehmen ermöglicht, sich aus ihrer Umweltverantwortung zu stehlen», sagt Josh Macey. Im Juli 2021 warnte die Umweltorganisation Appalachian Voices vor einer Insolvenzwelle, die zu 633’000 Hektaren sanierungsbedürftiger Fläche im Osten der USA führen könnte. Bergbauunternehmen müssen für allfällige Sanierungen zwar Kautionen hinterlegen, diese sind aber viel zu niedrig. In West Virginia, listen die Recherchepartner auf, deckten Kautionen gerade ein Zehntel der tatsächlichen Kosten. Appalachian Voices schätzt den Sanierungsbedarf allein in West Virginia auf 3,5 Milliarden Dollar. Die zuständigen Behörden schätzten die Sanierungskosten für die insgesamt 32 Blackjewel-Minen, für die sich keine Käufer fanden, auf 20 Millionen Dollar, Kautionsvermögen bereits abgezogen.