Kumpel für AUF: PCB-Belastung und Giftmüll unter Tage – eine breite öffentliche Diskussion ist nötig!
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- Erstellt: Freitag, 02. Dezember 2022 14:36
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In der „Lokalzeit Ruhr“ des Fernsehsenders WDR am 18.11.22 wurde dankenswerter Weise die erhöhte PCB-Belastung der Bergleute der RAG thematisiert. Die Sendung berichtete über die alarmierenden Ergebnisse einer von der Bergarbeiterinitiative Kumpel für AUF und der Ärzteinitiative gegen Zechenflutung und Giftmüll unter Tage selbst organisierten Gesundheits- untersuchung von 124 Bergleuten.
In dieser Studie wurde nicht nur die PCB-Belastung der Bergleute untersucht, sondern erstmals auch die Schwermetallbelastung. Die Bergleute mussten seit den 1980er Jahren bis 2006 1,6 Millionen Giftmüll unter Tage einlagern. Bei 66 Bergleuten von 124 (53,2%) wurde eine erhöhte Belastung mit mindestens einem toxischen Schwermetall im Urin gefunden. Im Schnitt hatten die untersuchten Bergleute 3,7 chronische Erkrankungen! Das Ergebnis bestätigte, was viele Bergleute und ihre Familien seit langem vermuten. Nämlich, dass viele Kumpel durch ihre Arbeitsbedingungen schwerwiegende Gesundheitsschäden erlitten. Die Stellungnahme von Professor Kraus von der RWTH Aachen in der WDR-Sendung versuchte die Ergebnisse unserer Studie klein zu reden. Er stellte in Frage, anhand „so einer kleinen Stichprobe … Zusammenhänge abzuleiten“. Wichtig zu wissen: Prof. Dr. med. Kraus war 2019 Leiter der RAG-Studie zur PCB-Belastung der Bergleute. Sie bestätigte, dass die „Belastungen früher hoch waren“. Ihm reichten 210 untersuchte Bergleute für seinen Schluss „Eine akute Gesundheitsgefährdung gemessen an heute gültigen Referenzwerten liegt nicht vor.“ (1) Damit beschwichtigte die RAG Bergleute und Öffentlichkeit. Es geht um die Gesundheit der Bergleute und um die Anerkennung von Berufskrankheiten. Die Infragestellung des Ergebnisses unserer Studie dient der Fortsetzung der Methode so zu tun, als handele sich bei schwer erkrankten Bergleuten um Einzelfälle, Zufälle, Schicksal. Die Aussagekraft einer Studie hängt nicht nur ab von der Teilnehmerzahl, entscheidend ist ihre Qualität. Wir erfassten akribisch die Krankheitsgeschichte und Arbeitsbedingungen der Bergleute. Sie waren auch an der Ausarbeitung und Durchführung der Studie beteiligt. Das ergab einen tiefen Einblick in Zusammenhänge zu Krankheiten und Verletzungen des Gesundheitsschutzes. Das lies die RAG nicht untersuchen. Wir konnten nachweisen, dass die bisherigen PCB-Referenzwerte untauglich sind, dass bereits in ihrem Rahmen Bergleute mit höheren Werten auch eine höhere Krankheitslast haben. Das alles reicht aus, um eine Umkehr der Beweislast zu fordern in Bezug auf die Anerkennung von Berufskrankheiten durch PCB und Schwermetalle bei den betroffenen Bergleuten und auf Entschädigung. Alle Mitarbeiter unserer Studie waren rein ehrenamtlich tätig und die Kosten wurden durch Spenden finanziert. Kritisiert werden muss dagegen, dass die von der rund 20 Milliarden schweren RAG versprochene Studie mit 1000 Teilnehmern bis heute nicht durchgeführt wurde. Wir fordern, dass sich alle Bergleute untersuchen lassen können auf PCB und Schwermetalle, auf Kosten der RAG - aber mit RAG-unabhängigen Wissenschaftlern, Einbeziehung der Betroffenen und auch exakter Erfassung, wie viele Bergleute bereits frühzeitig verstorben sind und an welchen Krankheiten sie litten. Unsere Studie ist inzwischen publiziert in einer Broschüre (erhältlich bei Kumpel für AUF, der Ärzteinitiative oder der Umweltgewerkschaft) oder nachzulesen auf der Webseite der Offenen Akademie – Fortschrittliche Wissenschaft (https://offene-akademie.org/schwerwiegende-gesundheitsschaeden-bei-steinkohle-bergleuten-durch-pcb-und-schwermetalle/) sowie in der Zeitschrift Umwelt-Medizin-Gesellschaft Heft 4/2022. Wir wünschen uns eine noch breitere Öffentlichkeit über den WDR und andere Medien und eine breite Diskussion über Ergebnisse und Konsequenzen entsprechend der großen Bedeutung der aufgeworfenen Fragen. Denn die Gifte belasten nicht nur langfristig die Gesundheit der Kumpels. Mit der Flutung der Zechen und der ungefilterten Einleitung von Grubenwasser in öffentliche Gewässer droht auch eine flächendeckende Belastung des Grundwassers und Trinkwassers sowie ein Schadstoff-Eintrag in Flüsse und Meere. Wir werden selbst dran bleiben und die Bergleute bei der Durchsetzung ihrer Forderungen unterstützen. Wir werden die Ergebnisse auch international verbreiten, u. a. auf der 3. Internationalen Bergarbeiterkonferenz vom 31.8.-3.9.23 in Thüringen. Die Problematik der Gesundheitsbelastung am Arbeitsplatz und Nichtanerkennung von Berufskrankheiten ist ein weltweites Thema.